Der
Begriff „Impressionismus“ klingt sehr kompliziert. Aus diesem
Grund empfiehlt es sich, zunächst zu klären, wo dieses Wort seinen
Ursprung hat:
Alles
begann in den Frühlingstagen des Jahres 1874 in einem Pariser Salon,
wo einige
Maler eine Gemäldeausstellung
veranstalteten.
Einer
davon war Claude
Monet (1840-1926).
Das
wäre alles noch nichts Besonderes, doch Monet hatte eine Art zu
malen für sich entdeckt, die sich doch sehr von dem herkömmlichen
Zeitgeist damals unterschied. Statt klaren Konturen bevorzugte er
schemenhafte Gebilde, die in farblich-atmosphärischen Arrangements
nebulös ineinander fließen. Monet verließ sich hierbei auf sein
subjektives Empfinden, auf
seinen
subjektiven Eindruck, eben auf
seine
subjektive
Impression. So verwundert es nicht weiter, dass eines seiner Gemälde
„Impression soleil levant“ hieß, das einen Sonnenaufgang an
einer Küste mit Booten darstellte:
Bis
jetzt klingt das alles schön und gut, allerdings kam diese neue Art
zu malen bei Kunstkritikern gar nicht gut an. Diese Art von Bildern
wurde verrissen und verspottet. Ein Kritiker schrieb sogar in Bezug
auf das spezielle Gemälde von Monet:
„Eine
Tapete im Urzustand ist ausgereifter
als dieses Seestück von
Monet.“
(Christoph
Heinrich: Monet. Taschen, Köln 2006, Seite 32)
Und
da dieses Gemälde den Titel „Impression“ trug, wurden die Maler
dieses Stils fortan
abschätzig
als „Impressionisten“ bezeichnet. Da
diese Maler-Gilde aber stolz auf ihre neue Poesie der Farben
war,
wurde dieser Titel als Symbol der Abgrenzung von
althergebrachten Maltechniken (wie etwa
dem
akademischen Klassizismus) übernommen.
Soll das heißen, der
Name einer Kunstrichtung hat sich von einem Schimpfwort abgeleitet?
Ja, in der Tat. Das ist
aber gar nicht so selten in der Kunstgeschichte. Man denke nur an die
Kunstepoche der „Gotik“, die im 12. Jahrhundert ebenfalls in
Frankreich entstanden ist. Der Begriff „Gotik“ leitet sich vom
italienischen Wort „gotico“ ab, das soviel wie „barbarisch“
oder „fremdartig“ bedeutet (Das hat mit dem ostgermanischen Stamm
der Goten zu tun, der im 5. Jahrhundert relativ rücksichtslos
in Italien eingefallen ist). Die Italiener wollten mit diesem Begriff lediglich
ihre Geringschätzung gegenüber Kunstrichtungen zum Ausdruck
bringen, die von ihren antiken Idealen abwichen. Kurzum: Alles, was es nicht schon im alten Rom gegeben hatte, war für die
Italiener doof. (Aber das ist eine andere Geschichte!)
Ist ja schön und gut,
aber was zur Hölle hat das alles mit Musik zu tun?
Nun, wenn man die
impressionistischen Maler betrachtet, welche statt strengen Konturen
mehr auf schemenhafte, übergangslose Farbenspiele Wert legten, so
kann in der Musik (zeitlich um zirka 20 Jahre versetzt) eine ähnliche
Bewegung festgestellt werden. In Paris formte sich ein
Komponisten-Kreis, der parallel zur Spätromantik eine ganz eigene
Musiksprache fand, welche die Bedeutung der ineinander übergehenden
Klangfarben oftmals über die Melodie der Singstimme stellte. Die
Melodik gleicht dabei einem wellenförmigen, pendelnden Fluss, der
als weicher Klangteppich das Musikstück gestaltet. Hierbei ließen
sich die Komponisten von fernöstlichen Tonfolgen inspirieren, welche
eine neue Weise von Tonalität (abseits der strengen Dur- und Moll-
Tongeschlechter) mit eigenem Regelwerk für sich erschließen und
eine exotische, schwebenden Wirkung erzeugen. Auch bei der Rhythmik
wurden schroffe Wechsel zu Gunsten eines sich stetig verändernden
Klangteppichs vermieden.
An vorderster Front
dieser Bewegung stand Claude Debussy (1862-1918), welcher der
geistige Vater dieses Paralleluniversums der Tonalität war. Debussy
kam mit fernöstlicher Melodik das erste Mal bei der Weltausstellung
in Paris 1889 in Berührung und war derart fasziniert davon, dass er
sie seiner eigenen Musiksprache einverleibte. Das war die
Geburtsstunde des musikalischen Impressionismus. Die schwebende,
weiche Wirkung von Debussys Musik wurde weltbekannt und beeinflusste
viele weitere Komponisten. Debussy sah sich selbst genau wie Monet
als ein Maler (nur in diesem Fall von Klängen und Tönen), der einen
Kompromiss zwischen Natur und Imagination suchte.
Doch genug der vielen Worte! So hört sich ein frühes Werk von Debussys Tonmalerei an:
Doch genug der vielen Worte! So hört sich ein frühes Werk von Debussys Tonmalerei an:
Ich
hoffe, ich bin nicht der Einzige, der bei Klängen wie von „Claire
de lune“ etwas ins Träumen gerät!
Debussy
entwickelte seine Tonsprache sehr schnell weiter und schrieb einige
Werke, die fast ausschließlich auf exotischen Tonfolgen basierten.
Eine solche ist beispielsweise die Ganztonleiter, bei der die
Tonschritte nur aus großen Sekunden bestehen. Das bedeutet: Wenn man
eine Klaviatur vor sich hat, darf man beim Spielen dieser Tonleiter (egal wo man beginnt) nur
Ganztonschritte verwenden. Somit fehlen die Halbtonschritte, welche
für Dur und Moll notwendig wären, und schon kommt ein exotisches,
fremd anmutendes Klangbild dabei heraus, das unseren üblichen
Tonleitern enthoben ist.
Ein
weiteres Beispiel wäre die Pentatonik (die Fünf-Tonmusik): Man
versuche auf einer Klaviatur lediglich die fünf schwarzen Tasten zu
spielen. Egal wie man es anstellt, es wird immer fernöstlich
klingen.
Versucht es! Ihr werdet überrascht sein!
Versucht es! Ihr werdet überrascht sein!
Und
wenn ein Meister der Klangfarben wie Debussy ein Musikstück rein in
Ganztonleiter komponiert, dann klingt das so:
Klingt
schon sehr entrückt, nicht wahr? Schwebende Klangfarben ohne Kontur ...
Doch es gibt auch
weniger extreme Beispiele des Impressionismus. Ein weiterer impressionistischer Großmeister namens Maurice Ravel
(1875-1937) komponierte zum Beispiel ein wunderschönes Werk mit dem
Namen „Pavane pour une infante défunte“ („Pavane für eine
verstorbene Prinzessin“), das tiefromantisch beginnt, aber sehr
schnell in impressionistische Sphären übergeht (und zwar bei Minute
0:31) und
dann immer wieder zwischen diesen beiden Stilen alterniert:
Eine Pavane war ein spanischer Gesellschaftstanz aus dem 16. Jahrhundert, der hier nur mit etwas Mühe hineininterpretiert werden kann. Und wenn jemand den Titel von diesem Meisterwerk interpretieren möchte, so rate ich zur Vorsicht. Dieses Klavierstück wurde zwar einer Prinzessin gewidmet, doch lebte diese noch relativ lebendig weitere vierzig Jahre. Einmal soll Ravel lapidar gesagt haben, man solle den Titel nicht zu sehr hinterfragen, er mochte einfach den Klang der Worte!
Ja,
so sind sie, die Impressionisten … der Klang ist alles!
Aber der
Impressionismus fand nicht nur am
Klavier Entfaltung.
Weltbekannt und wild umstritten wurde der Impressionismus 1894
durch
die Uraufführung eines Orchesterwerks von Debussy mit dem
wunderschönen Namen „Prélude à l’après-midi d’un faune“
(„Vorspiel zum Nachmittag eines Faunes“).
Eine
sehr berechtigte Frage wäre nun: Was zum Geier ist ein Faun?
Da
musste auch ich kurz nachschlagen: Der
Faun ist ein wolfsähnlicher Gott der indogermanischen Einwanderer in
Italien und gilt als Beschützer der freien Natur, der Hirten und der
Bauern. Sollte man sich eine Ziegen- oder Schafherde in Italien
zulegen wollen, sollte man diese Gottheit anbeten. Größere
Berühmtheit hat seine Schwester oder Frau (oder beides!?) erlangt,
die Fauna hieß und heute noch als ein Synonym für die Tierwelt
gilt.
Aber
das ist eigentlich alles gar nicht so wichtig, um diese Musik zu
genießen und in eine Sphäre einzutauchen, die sich voll und ganz
der impressionistischen Farbenwelt hingibt und als erster großer
Meilenstein dieser Epoche gilt:
Abschließen
möchte ich diesen Artikel mit einem Werk, das jeder kennt, auch wenn
die Musik nicht unmittelbar
geläufig
ist. Es handelt sich um die sinfonische
Dichtung
„Der Zauberlehrling“ von einem weiteren impressionistischen
Meister namens Paul Dukas (1865-1935), das uns als "Kehraus" dieses Artikels dienen soll. In
diesem Werk wechseln sich impressionistische Klangsphären mit
spätromantischen
Einfällen
auf witzige Weise ab.
Darüber
hinaus konnte
durch
Walt
Disney diese
Tondichtung
in
jedes Kinderzimmer Einzug
halten und
jedes Kinderherz im Sturm erobern:
Wer
das letzte Video bis zum Ende gesehen hat, der könnte die Impression
haben, dass das Wort „Kehraus“ für diesen Artikel durchaus
wörtlich gemeint ist.
So ist das, wenn Klang nicht nur Farbe, sondern gleich ein ganzer Zeichentrickfilm wird ...
So ist das, wenn Klang nicht nur Farbe, sondern gleich ein ganzer Zeichentrickfilm wird ...
looooooooool
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