Donnerstag, 21. Dezember 2017

"Liszt in Rom - Weihnachtsoratorium"


Johann Sebastian Bach (1685-1750) komponierte in der Zeit des Barocks ein geniales Weihnachtsoratorium, das in aller Munde ist. Franz Liszt (1811-1886) komponierte in der Zeit der Spätromantik ebenfalls ein solches, welches jedoch nahezu in Vergessenheit geraten ist.  Diese Tatsache ist eigentlich unverständlich, wenn man bedenkt, dass Liszt hierbei nicht nur wunderbare Musik gelungen ist, sondern ein tiefes Selbstbekenntnis, das zur kompromisslosesten Schöpfung jener Epoche führte. Es handelt sich um ein einsames Meisterwerk, das den weiten Bogen von den lateinisch-romanischen Ursprüngen bis hin zur Klangwelt der Spätromantik spannt und zu Unrecht unbeachtet in der Musikgeschichte auf seine Wiederentdeckung harrt.



Im Leben Franz Liszts gab es um das Jahr 1861 einen Bruch: Er beendete seine Tätigkeit als Kapellmeister in Weimar und ließ sich in einem römischen Kloster nieder, empfing dort die niederen Weihen, wurde Kleriker und versuchte seinem "klösterlich-künstlerischen Ideal näher zu kommen". Diese Annäherung sollte mehr als fünf Jahre dauern. Für viele Biographen Franz Liszts werden seine Jahre in Rom als musikalisch wenig ertragreich und unbedeutend gewertet. Es war aber genau das Gegenteil der Fall: Liszts Suche nach seiner eigenen Spiritualität trug auch kompositorisch Früchte, die allerdings erst viele Jahre nach seiner Zeit in Rom ihre Uraufführung erlebten. Eine der wohl großartigsten Schöpfungen, welche in diesen Jahren entstand, war der erste Teil seines Monumentalwerkes "Christus", sein "Weihnachstsoratorium", das sich sowohl musikalisch als auch gattungsgeschichtlich in all seiner religiösen Offenbarung als einsamer Geniestreich entpuppen soll. 

Franz Liszt verarbeitet im Weihnachtsoratorium seine in Rom stattfindende intensive Auseinandersetzung mit Gregorianischen Chorälen, der frühen Vokalpolyphonie und den meisterhaften Messen eines Giovanni Pierluigi da Palestrinas (1525-1594). Das Resultat ist eine Synthese aus Tradition und Moderne, in denen der Klangkosmos eines Palestrinas ebenso Ausdruck findet wie Liszts eigene progressive Harmonik oder die "unendlichen Melodien" seines Schwiegersohnes Richard Wagner (1813-1883). Besonderes Kennzeichen dieses Oratoriums ist der breite Raum, den das Orchester einnimmt: Drei der fünf sehr umfangreichen Sätze sind gigantische symphonische Dichtungen, welche als Medium des Gebetes zur meditativen Verinnerlichung dienen sollen.

Bereits der erste Satz wird rein instrumental gestaltet und dient als intime Einführung in den sakralen Themenkreis des Weihnachtsoratoriums. Vorangestellt sind der Musik die prophezeienden Worte des Jesaja (Jesaja, 45:8)

Rorate caeli desuper,
et nubes pluant iustum: 
aperiatur terra, 
et germinet Salvatorem. 

Tauet Himmel, von oben,
ihr Wolken, regnet den Gerechten:
Es öffne sich die Erde
und sprosse den Heiland hervor.

Dieses Bibelzitat fand früh eine berühmte Gregorianische Verarbeitung, welche als Einzugsgesang zum vierten Adventsonntag in der katholischen Messliturgie dient. Liszt griff diesen Gesang auf und gestaltete den einleitenden Satz als freie, polyphone Fantasie und in sich gekehrte Meditation über das Thema, welches gleich zu Beginn in Erscheinung tritt. Darüber hinaus fungiert dieses als wichtiges Leitmotiv des Oratoriums, das an markanten Stellen in verwandelter Form immer wieder präsent ist. Der Satz befindet sich in der dorischen Kirchentonart und erweckt in seinen sanften, verinnerlichten Klängen eine pastorale Atmosphäre, die im spätromantischen Licht erstrahlt. 



Im zweiten Satz verkündet ein Engel in Form eines Sopran-Solos die Geburt des Heilands nach Worten des Lukas-Evangeliums (Lukas, 2:10-14). Diese frohe Kunde wird von einem Frauenchor durch sanfte "Halleluja"- und "Gloria in excelsis"-Ausrufe freudig empfangen. Dabei klingt auch das Gregoriansiche Leitmotiv etwas verschleiert durch. Nachdem der gesamte gemischte Chor sowie das Orchester einsetzt, wird auch das Leitmotiv zu einem immer markanteren Gestaltungselement. Den Höhepunkt des Satzes leitet das "Halleluja" des Chores (ab 5:40) ein und bildet (6:11-6:23) einen lichtdurchfluteten, erhabenen Moment, der sich dem Irdischen zu entheben scheint. Es folgt ein langsames Verklingen der Stimmen und ein Übergehen in ein ruhiges und inniges Pastoralspiel, das die Melodien der Engel und Hirten mit dem Themenmaterial des ersten Satzes auf zarteste, süßeste Weise zu vereinen sucht. 
  


Der dritte Satz gehört zum Berührendsten, das Liszt je geschrieben hat. Es ist ein nahezu a cappella Chorsatz, der lediglich an einigen Passagen von der Orgel unterstützt wird. Es handelt sich um die Hymne "Stabat mater speciosa", welche als Gegenstück zur Passionssequenz "Stabat mater dolorosa" die Freuden der Mutter und der Menschheit im Allgemeinen beim Betrachten des Neugeborenen beschreibt. Dieser Satz spiegelt am deutlichsten Liszts intensive Beschäftigung mit der lateinisch-romanischen Musiktradition wider. Seine demütige, ehrfürchtige Haltung ihr gegenüber könnte keinen schöneren Ausdruck finden als in diesen Satz. Bereits in einem Brief aus Rom an seinen deutschen Kollegen Richard Pohl (1826-1896) aus dem Jahre 1861 artikulierte Liszt seine Bewunderung und Ehrfurcht für Gregorianische Choräle sowie die Messen Palestrinas:

"Es sind tönende Granit- und Porphyr-Säulen, von deren mächtiger Wirkung Sie sich in Deutschland kaum eine annähernde Vorstellung machen können, weil Sie sie nur außerhalb ihrer belebenden Glaubens und Ritus Mitte hören. Obschon in der hiesigen Ausführung eine strenge Critik manches nicht zu beloben fände, so bleibt nichts destoweniger der Gesamteindruck ein erhabener und tief ergreifender - den freilich nur diejenigen empfangen, welche die entsprechende Geistes- und Herzensbefähigung besitzen." 



Der vierte Satz mit dem Titel "Hirtengesang an der Krippe" ist erneut als rein instrumentale symphonische Dichtung angelegt. Hier tritt wie schon in Teilen des zweiten Satzes der pastorale Charakter der Musik vollends in Erscheinung, welcher auf volkstümlichen Schalmeiklängen beruht und so bildlich den Eindruck eines Hirtengesanges hervorruft. Das Themenmaterial geht erneut auf jenes der einleitenden Fantasie des ersten Satzes zurück. Darüber hinaus mischt sich ab 4:30 eine sehr freie Bearbeitung des aus dem 16. Jahrhundert stammenden kirchlichen Weihnachtsliedes "Es ist ein Ros entsprungen" bei. Der gesamte Satz ist geprägt von ruhig dahinfließenden Melodien und wird nicht müde, immer neue, farbenreiche Nuancen zu dem innigen Tongemälde beizutragen, um ein ländliches Idyll entstehen zu lassen.



Als Finale folgt eine Tondichtung mit dem Namen "Die Drei Könige", die sich ganz den heiligen drei Königen verschreibt, die nach dem Matthäus-Evangelium (Matthäus, 2:9,11) zu ihrem neugeborenen Heiland aufbrechen, von einem Stern geleitet werden und Gold, Weihrauch und Myrrhe überbringen. Liszt teilt den letzten Satz in drei Episoden, welche alle den selben musikalischen Keim besitzen, welcher wiederum aus dem ersten Satz abgeleitet ist: Zunächst wird der Aufbruch der drei Könige zu ihrem Heiland als gewichtiger, imposanter Marsch dargestellt. Ab Minute 4:29 wird musikalisch das Erscheinen des Sterns am Horizont beschrieben, der den Königen den rechten Weg zur Krippe weisen soll. Das Aufgehen und Aufleuchten des Sternes findet auf wunderbar erhebende Weise in Des-Dur statt. Der Klang wird zu einem hellen Strahlen, das die finsterste Nacht durchbricht und ebenso warm wie innig den Raum zu durchströmen beginnt. Selbst das Glitzern des Sterns wird durch zarte Harfenklänge angedeutet. Sobald die Könige bei ihrem Heiland angekommen sind, beginnt die Übergabe der Geschenke ab Minute 7:15. Dies geschieht auf  ernste, hymnisch-preisende Weise. Dannach finden alle drei Episoden noch eine durchführende Verarbeitung, welche das Weihnachtsoratorium ebenso prächtig wie hoffnungsvoll ausklingen lässt.




Sollte jemand meinen, Franz Liszt sei in erster Linie ein oberflächlicher (wenn auch virtuoser) Pianist gewesen, der wird mit diesem Oratorium eines Besseren belehrt. Er war ein großer Komponist und ein ewig Suchender, der auf der Suche nach seiner eigenen Spiritualität Antworten fand und ernten durfte. Viele von diesen Antworten sind in die Musik seines Weihnachtsoratotiums eingeflossen und haben diesem Tiefe verliehen. Und möglicherweise sind diese Antworten so stark, dass sie uns auch heute noch auf unserer eigenen Suche helfen können.






Sonntag, 10. Dezember 2017

"Purcell - Fantasie der Liebenden"


Wenn Inspiration die Fantasie beflügelt, ist der Drang zu schaffen groß. Dies findet oft Niederschlag in Werken, die wiederum andere inspirieren. Empfänglich sind hierbei vor allem Liebende, deren Sehnen ohnehin zu den höchsten Höhen strebt, indem es die Fantasie zu verwirklichen sucht. Ein Meister an Inspiration, der Liebe in allen ihren Facetten musikalisch auszudrücken wusste, war der englische Komponist Henry Purcell (1659-1695), der uns nicht zuletzt deshalb noch heute ungemindert tief zu berühren vermag.  


Eine solche Arie, die auch heute noch Fantasien zu beflügeln weiß, findet sich in Henry Purcells Semi-Oper "The Fairy-Queen" aus dem Jahre 1692. Bei dieser Opern-Gattung handelt es sich um eine spezielle Form der englischen Barockoper, in der gesprochene, gesungene, getanzte und instrumental gestaltete Szenen miteinander verknüpft sind. Purcell war ein Meister dieser Gattung und feierte überragende Erfolge auf diesem Gebiet. Die Handlung der Oper basiert lose auf der Komödie "A Midsummer Night's Dream" ("Ein Sommernachtstraum") von William Shakespeare (1564-1616), wurde allerdings von einem unbekannten Autoren operngerecht textlich neu gestaltet. Der Fokus der Oper wurde hierbei auf die Feenkönigin Titania und ihren Gemahl Oberon gelegt, da die Oper zu Ehren des 15. Hochzeitsjubiläums von Queen Mary II. (1662-1694) und William III. (1650-1702) uraufgeführt wurde.  

Bei jener Arie handelt es sich um "One charming night" aus dem zweiten Akt der Oper. Diese besitzt nicht nur einen vielvesprechenden Titel, sondern legt es auch textlich explizit darauf an, unsere Fantasie zu beflügeln und auf das Äußerste zu treiben, sodass wir uns in der süßen Lage wiederfinden, das Angedeutete auszumalen:

"One charming night gives more delight, 
than a hundred lucky days. 
Night and I improve the taste, 
make the pleasure longer last, 
a thousand, thousand several ways."

"Nur eine bezaubernde Nacht bringt größere Lust 
als hunderte glückliche Tage.
Die Nacht und ich verfeinern den Genuss,
lassen die Freude länger währen
auf abertausend verschiedene Weisen."

Henry Purcell tat das Seine und setzte diese delikaten Zeilen in ebenso sehnsuchtsvolle wie sinnliche Musik, ohne die Fantasie dabei einzuschränken:




Es ist nun mal eine Tatsache, dass Sinnlichkeit und sehnsuchtsvolle Fantasien nicht allein Thema des englischen Barocks waren. Und so kam es, dass diese Arie nicht nur Hörer, sondern auch Musiker jüngerer Zeiten inspirierte und zu neuen Interpretationen beflügelte. So erging es wohl dem Ensemble L'Arpeggiata unter der Leitung von Christina Pluhar (*1965), welches sich im Jahre 2014 an eine erfrischend unorthodoxe Einspielung heranwagte. Es handelt sich hierbei um eine Improvisation in Form einer musikalischen Fantasie, welche stilistisch wie harmonisch zwischen den Jahrhunderten wechselt und dabei die Aktualität von Purcells Musik unterstreicht, ohne sie zu verfälschen. Diese Interpretation zeigt, dass ein Meisterwerk, welches sich der Sinnlichkeit widmet, auch über Jahrhunderte hinweg nichts an seiner Strahlkraft und Intensität verliert: 




Da der Text der Arie von einem unbekannten Autor stammt und kein Originalzitat aus dem Sommernatstraum ist, wäre es abschließend aufschlussreich, zu erfahren, was Shakespeare selbst zum Thema "Fantasie" zu sagen hatte:

"And as imagination bodies forth
The forms of things unknown, the poet’s pen
Turns them to shapes and gives to airy nothing
A local habitation and a name."

Shakespeare, "A Midsummer night's dream", Act V, Scene I

"Und wie die Fantasie Ideen ausgebiert
Von unbekannten Dingen, bannt der Stift
des Dichters sie in Formen ein und gibt
Luftigem Nichts in Worten ein Zuhause."

Übersetzung: Frank Günther


Was für den Poeten ein Gedicht, für den Komponisten ein Musikstück ist, das sind für den Liebenden die Gedanken, die sehnsuchtsvoll hinausdrängen, von Klang und Sprache getragen werden und vielleicht bei dem oder der Angebeteten Erfüllung und ein Zuhause finden.






 

Dienstag, 28. November 2017

"Williams - Symphonie, Shakespeare und Atombombe"


Wenn große Komponisten klassischer Symphonien genannt werden, so fallen rasch die klangvollsten Namen der Musikgeschichte. Gerade die Zahl Neun besitzt hierbei magische Bedeutung und ist untrennbar mit Beethoven, Bruckner, Dvorak und Mahler verbunden. Der englische Komponist Ralph Vaughan Williams (1872-1958) wird in dieser Reihe kaum genannt. Er schrieb jedoch nicht nur neun Symphonien, sondern zugleich einige der bedeutendsten und unergründlichsten des 20. Jahrhunderts. Gerade seine 6. Symphonie birgt ein Geheimnis, das über den zeitgeschichtlichen Kontext hinaus einen allumfassenden Anspruch erhebt und in seiner Rätselhaftigkeit ein einsames Meisterwerk darstellt.  



Ralph Vaughan Williams begann an der Komposition seiner 6. Symphonie kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu arbeiten und schloss diese im Jahre 1947 ab. Es handelt sich um sein düsterstes Werk voller Varianten an Dunkelheit und Dissonanz. Von finsterstem Aufbegehren und strahlendstem Leuchten bis hin zur bittersten Resignation beinhaltet dieses Werk alle Facetten des Ausdrucks und provoziert nahezu, interpretiert zu werden. Doch trotz vieler programmatischer Spekulationen seitens Hörerschaft und Kritik bestritt Vaughan Williams stets vehement die Symphonie mit den Schrecken des Krieges wie den Luftangriffen über England oder den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki in Verbindung gebracht zu haben. Folgende überlieferte Aussage von ihm scheint dies zu bestätigen: „It never seems to occur to people that a man might just want to write a piece of music.”  Diese Aussage ist freilich zu respektieren. Dennoch besteht dieses düster-kraftvolle halbstündige Werk, dessen vier Sätze nahtlos ineinander übergehen, aus derart vielen Anspielungen, dass eine Verarbeitung von Kriegstraumata doch sehr naheliegend, womöglich sogar zwingend scheint. Dennoch gilt dieses Werk als absolute Musik, das unabhängig seiner Entstehung und seines inneren Programms bestehen kann und erst durch die uneingeschränkte Interpretationsmöglichkeit seine wahre Größe erlangt.





Der erste Satz wirkt wie ein Sturz in unkontrolliertes Chaos und grenzt an Atonalität, da die Musik sich weder auf e-Moll noch auf f-Moll festlegen kann. Doch nicht nur harmonisch ist der Satz schwierig zu definieren, auch rhythmisch mag er sich nicht so recht deklarieren. Langsam bildet sich aus dem Chaos eine Melodie heraus, die in Minute 3:09 das erste Mal ganz (wenn auch noch etwas verhalten) Klang wird. Es ist eine erhabene kleine Melodie, die zu Williams  romantischsten Einfällen gehört. Doch schnell wird sie von der wieder dominierender werdenden Rhythmik des Satzes hinfort gerissen und erscheint auf fratzenhaft entstellte Weise als Variation des anschwellenden Orchesterklanges. Dieses Schauspiel wird bald von wilden Orchesterläufen unterbrochen, die den Satz harmonisch und rhythmisch wieder ins Chaos zu stürzen drohen. Es scheint wie ein Alptraum in finsterster Nacht, ein Ausdruck voll Panik und Terror. Doch so schnell dieser Abgrund erschienen ist, verschwindet er auch wieder: Ab Minute 5:50 geht der Schrecken in hymnische Sphären über und  die romantische Melodie von zuvor erklingt nun choralartig und himmlisch in ihrer reinsten Schönheit und in strahlendem E-Dur. Es wird einer der wenigen Lichtblicke sein, welche in die düstere Stimmung der Symphonie eindringen. Dafür wird dieser voll und ganz ausgekostet. Doch im erhabensten Moment, wo die Musik zu ihrem Höhepunkt zuzustreben scheint, bricht die Finsternis in Minute 7:13 wieder ein und das Thema des Chaos vom Anfang des Satzes tritt erneut auf, bevor die Musik fließend ohne Unterbrechung in die dunklen Abgründe des zweiten Satzes übergeht. 

Der zweite Satz beginnt in Minute 7:38 und wird von einem eigenartig diabolischen Grundmotiv geprägt („rat-a-tat“), welches in Werken von Dimitri Schostakowitsch (1906-1975) später als Ausdruck von Terror und Schrecken dienen soll. Das Motiv setzt nach einer Weile aus und es folgen Episoden, in denen Blechbläser auf dämonische Weise Dominanz gewinnen (ab 9:22) und von einem Klangteppich der Streicher verbunden werden, bis die Streicher selbst wie beschwörend und willenlos den dämonischen Ausdruck der Blechbläser übernehmen (ab 10:29). Eine unheimliche, jenseitig-entrückte Stimmung stellt sich ein. Das dämonische Motiv erscheint noch weitere Male in dieser entrückten Atmosphäre, bis das Grundmotiv des Satzes („rat-a-tat“) wieder zum bestimmenden Element wird (ab 12:43). Die Musik gewinnt immer mehr an Spannung und staut sich zu einem gigantischen Höhepunkt, einer Art Apokalypse, auf, die sich ab Minute 14:42 entlädt. Es folgt mit voller Kraft des Orchesters Eskalation und Kollaps zugleich. Dies geschieht über ein Leitmotiv von Richard Wagner (1813-1883). Es handelt sich um das „Rheingold“-Motiv aus seinem Opus Magnum „Der Ring des Nibelungen“ und ist in Vaughan Williams Kontext wohl als Luftkrieg-Terror von Nazi-Deutschland gegen England zu begreifen. Hier gewinnt der Wahnsinn des Krieges musikalischen Ausdruck und bricht kurz darauf erschöpft in sich zusammen, worauf das Grundmotiv des Satzes („rat-a-tat“) in sich erstirbt. Ein lamentierendes, trauerndes Saxophon schließt diesen spannungsgeladenen, abgründigen Satz, als wollte es seine Klage und Ohnmacht angesichts des Schreckens kundtun.        

In Minute 16:38 schließt nahtlos der dritte Satz der Symphonie an. Es handelt sich um ein wildes, furioses Scherzo, das harmonisch stark von einem Intervall namens Tritonus, welches wegen seiner Dissonanz als „diabolus in musica“ („Teufel in der Musik“) genannt wird, geprägt ist. Das Trio des Scherzos (ab Minute 18:21) wird vom Saxophon eingeleitet und bringt Jazz-Anklänge mit sich. Diese sollen eine Reminiszenz an eine Jazz-Band sein, welche im Nachtclub Café de Paris in London bei einem deutschen Bombardement ums Leben gekommen war. Das Hauptthema des Scherzos übernimmt kurz darauf erneut die Führung, bevor die Musik nahtlos in eine der mysteriösesten und geheimnisvollsten Orchesterpassagen in der Musikgeschichte übergeht, dem Finale von Williams 6. Symphonie:  

Bei dem Finale (ab 22:51) handelt es sich um einen Epilog der Erstarrung, um ein vage fugales Konstrukt, das zur Gänze im Pianissimo ohne Crescendo und Ausdruck gespielt werden muss und nach zehn Minuten in aller Stille endgültig zum Erliegen kommt. Der gesamte Satz verläuft als fahler Anti-Klimax in Form einer düsteren, eindringlich kreisenden Meditation ohne Ziel. Vielfach wurde spekuliert, was Vaughan Williams damit sagen wollte: Von der Beschreibung der Einsamkeit des modernen Menschen über die Vergänglichkeit des Seins bis hin zum Stillstehen der Zeit in einem Szenario des nuklearen Holocaust nach Abwurf einer Atombombe bietet dieser entrückte Satz jegliche Möglichkeit der Interpretation. Es ist ein stilles Meisterwerk, das durch seine Unergründbarkeit an Tiefe gewinnt und Zeitlosigkeit erlangt.  

Gegen Ende von Vaughan Williams Leben wurde dieser im Jahre 1956 noch einmal über die Bedeutung dieses mysteriösen, rätselhaften Finales befragt. Er ließ sich zu nicht minder geheimnisvollen Aussagen hinreißen: Es sei „ein agnostischer Lobgesang des Simeon“ („an agnostic Nunc dimittis“) und basiere auf Prosperos Worten im IV. Akt von William Shakespeares (1564-1616) spätem Meisterwerk „Der Sturm“ (“The Tempest”): „We are such stuff as dreams are made on; and our little life is rounded with a sleep.“  

Wenn wir uns den so berühmten Satz im Kontext von Prosperos Gesagtem vergegenwärtigen, bekommen diese Worte eine gewichtige Bedeutung, die so mancher Interpretation nicht nur Auftrieb, sondern ein Fundament geben dürfte:

“Our revels now are ended. These our actors,
As I foretold you, were all spirits, and
Are melted into air, into thin air:
And like the baseless fabric of this vision,
The cloud-capp'd tow'rs, the gorgeous palaces,
The solemn temples, the great globe itself,
Yea, all which it inherit, shall dissolve,
And, like this insubstantial pageant faded,
Leave not a rack behind. We are such stuff
As dreams are made on; and our little life
Is rounded with a sleep.”

Shakespeare, “The Tempest”, Act IV, Scene I

“Die Zauber sind vorbei. Da unsre Mimen,
Wie ich dir sagte, waren alle Geister und
Sind aufgelöst in Luft, in dünne Luft;
Und, wie dies körperlose Traumgewebe, so
Die wolkenhohen Türme, die Paläste,
Die stillen Tempel, selbst der Erdenball,
Ja, was ihm nur teilhat, wird zerfließen,

Und, wie dies wesenlose Schauspiel schwand,
Vergehen ohne Spur. Wir sind vom Stoff,
Aus dem die Träume sind; und unser kleines Leben

Beginnt und schließt ein Schlaf.”

Übersetzung: Frank Günther


Und nachdem wir diese Worte gelesen, die Musik gehört haben und alles sich in Luft aufgelöst hat oder zerflossen ist, sind wir möglicherweise dem Rätsel näher gekommen, nicht aber der Lösung …






Freitag, 25. August 2017

"Nachtgedanken"





"Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält."

aus Rilkes "Buch der Bilder" 





Sonntag, 16. Juli 2017

"Antonín Dvořák - Der Wassermann"


Das Schaffen des großen böhmischen Komponisten Antonín Dvořák erlebte im Jahre 1896 einen Umbruch. War davor sein Werk durch Schöpfungen absoluter Musik geprägt, wie seine neun Symphonien, sein Cellokonzert oder seine Kammermusik bezeugen, so wandte er sich fortan einer weniger traditionellen Gattung, der Symphonischen Dichtung, zu und sollte nie mehr zur absoluten Musik zurückkehren. Symphonische Dichtungen verleihen Musik ein inneres Programm, welches klangliche Entfaltung erlebt, und Dvořák gelangen hierbei unübertroffene Meisterwerke.



Antonín Dvořák (1841-1904) entnahm die Handlung vier seiner Symphonischen Dichtungen (op.107-op.110) aus Balladen des tschechischen Dichters Karel Jaromir Erben (1811-1870), welche voll märchenhafter, farbkräftiger Stimmungen sind. Eine der berühmtesten Balladen geht auf einen unheimlichen Volksmythos zurück und nennt sich „Der Wassermann“.

Die Handlung dieser Ballade ist schnell erzählt: Ein Mädchen wohnt mit seiner Mutter in der Nähe eines Sees. Die Mutter warnt das Mädchen vor dem See, da darin ein böser Wassermann wohnt. Das Mädchen schlägt die Warnungen allerdings in den Wind und wird, als sie sich beim See aufhält, vom Wassermann geschnappt und in sein Reich gezogen. Dort erhält sie (vermutlich unfreiwillig) ein Kind von ihm. Da das Heimweh zu stark wird, erlaubt der Wassermann dem Mädchen seine Mutter zu besuchen, solange es innerhalb einer bestimmten Frist (bis zum Läuten der Kirchenglocken) wieder bei ihm ist. Als Pfand behält der Wassermann das gemeinsame Kind. Da das Mädchen nicht wieder erscheint, erschlägt der rasende Wassermann das Kind und wirft dieses gegen die Haustüre der Mutter.  

Das ist eine grausame und schreckliche Geschichte. Doch Dvořák war von der Figur des Wassermanns derart fasziniert, dass er diese in ein dramatisches Tongemälde fassen wollte, um ihr ein abgründiges Denkmal zu setzen. Das Ergebnis sollte ein makaberes Meisterwerk werden - voller Kraft und Dämonie -, eine Symphonische Dichtung, die den Schrecken Klang werden lässt:

Dvořák beginnt die Symphonische Dichtung mit dem Thema des Wassermanns (0:00-1:50), welches rondoartig das gesamte Stück durchzieht. Es handelt sich um ein bohrend, kreisendes Thema, das mit seinen kraftfollen Wogen ganz dem Element Wasser verschrieben ist. Darauf erklingt das lyrische Thema des Mädchens (1:50-2:36). Es hat sanften, unschuldigen Charakter und wirkt wie die Beschreibung eines ländlichen Idylls. Es erscheint als starker Kontrast zum Wassermann. Bei genauerem Hinhören kann man jedoch bereits jetzt erkennen, dass das Mädchen verloren ist: Dieses Thema ist jenem des Wassermanns abgeleitet. Der einzige Unterschied ist der dynamische Vortrag sowie die Gebundenheit der Noten. Was beim Wassermann abgehacktes Staccato war, ist beim Mädchen herrliches Legato. Ansonsten handelt es sich um den gleichen thematischen Einfall. Das Schicksal meint es anscheinend nicht gut mit dem Mädchen ...

Es folgt ein weiteres lyrisches Thema in dunklem Moll, jenes der besorgten Mutter (2:36-4:46). Es handelt sich hier um einen wunderbar enthobenen, fast schwebenden Klagegesang, der das Mädchen warnen soll und der sich herrlich steigert. Es schwingt hier die Sorge der liebenden Mutter um das unschuldige Mädchen mit. Doch auch in diesem Thema ist der Wassermann stets präsent.

Nach der Vorstellung der drei verwandten Themen kommt die eigentliche Handlung ins Rollen: Das Mädchen geht trotz Warnungen zum See, begibt sich also in den Machtbereich des Wassermanns, dessen ursprüngliches Thema plötzlich wieder an Dominanz und Kraft gewinnt. Die fallenden Läufe des Orchesters stellen das Herabgleiten des Mädchens zum See dar, bis der Wassermann zugreift und es triumphierend in seine Gewalt bringt (5:20-5:52). So hört es sich an, wenn ein Wassermann der holden Weiblichkeit habhaft wird. Er zieht das Mädchen unters Wasser, sodass bald von dem ganzen Geschehen nichts mehr zu sehen ist. Nur noch die unerhörte Sorge der Mutter verhallt noch an der Wasseroberfläche, welche ihren Schleier des Schweigens über das Folgende wirft.

Nun beginnt sich eine neue Welt zu entfalten: Das Mädchen wird in das Unterwasserreich des Wassermanns eingeführt (ab 6:25). Die Musik nimmt einem mystischen, geheimnisvollen Charakter an, obgleich die Rhythmik des Hauptthemas stets präsent bleibt. Unheimlich und anderes als alles bisher Gesehene erscheint diese Welt dem Mädchen. Dieses Reich ist nun sein neues zu Hause und es ist dazu bestimmt, fortan die Geliebte des Wassermanns zu sein. Das Mädchen will dies zwar nicht, doch die Kraft des Wassermanns macht es dennoch möglich (10:44-11:27). Dieser (wohl erzwungenen) Beischlaf verlief aus Sicht des Wassermanns erfolgreich: Das Mädchen gebiert ihm ein Kind. Man kann dies am folgenden Wiegelied erkennen (ab 11:27). Das Wiegelied mündet in einen musikalischen Ausbruch, der einen Streit zwischen dem Mädchen, welches Heimweh hat und sich Unterwasser nicht wohl fühlt, und dem Wassermann darstellt. Der Wassermann macht schließlich ein Zugeständnis: Das Mädchen darf für kurze Frist seine Mutter besuchen, muss aber beim Läuten der Kirchenglocken wieder zurück sein. Das Kind bleibt solange beim Wassermann.

So macht sich das Mädchen mit seinem Thema, welches nun voller Trauer in Moll verwandelt ist, auf den Heimweg (ab 13.38). Dvořák erlaubt sich trotz der dramatischen Handlung und der Hoffnungslosigkeit des Mädchens an dieser Stelle einen kleinen Scherz: Er streut während das Heimweg-Thema erklingt ein weiteres Motiv kurz ein. Es ist jenes aus dem Finale seiner 9. Symphonie "Aus der neuen Welt". Das ist fast etwas zynisch von Dvořák, da ja das Mädchen am Boden zerstört und voll von Leid "aus der neuen Welt", dem Unterwasserreich des Sees, flieht und damit nichts mehr zu tun haben will.

Daraufhin braut sich ein Sturm zusammen (ab 15:20). Der Wassermann wird ungeduldig, da das Mädchen nicht heimkehrt. Als auch die Kirchenglocken verklingen, ohne dass das Mädchen erscheint (ab 16:15), steigert sich seine Ungeduld zu blinder Raserei. Sein Thema schaukelt sich immer mehr auf und erlebt dramatische Ausbrüche. Diese erfahren ihren Höhepunkt im Todschlag des eigenen Kindes und dem Wurf gegen die Haustüre der Mutter und des Mädchens (17:35-18:00). Darauf ebbt die Musik wieder ab. Im Abgesang werden noch verschiedene Themen miteinander verwoben: Jenes, welches früher der Warnung des Mädchens galt, wird nun als Trauermotiv über das verstorbene Kind abgewandelt, während im Hintergrund stets die drohende Gebärde des Wassermanns präsent bleibt, worauf dieser ebenso still wie mysteriös wieder unter der Wasseroberfläche des Sees in sein Reich verschwindet.






Sonntag, 25. Juni 2017

"Legenden der Romantik - Wenn Musik erzählt"



Der Begriff der Legende ist eng mit der literarischen Tradition verbunden und dringt in religiös-verklärte Gefilde vor. Man könnte ihn als „das Vorzulesende“ übersetzen, womit der erzählende Gestus von Glaubenswahrheiten oder Heilswirken angedeutet ist. Wenn nun ein Komponist einen Satzteil „Im Legendenton“ überschreibt, so hat dessen Musik ebenso etwas zu erzählen, meist auf mystisch-verklärte Weise. Dies ist jedoch nicht im rein religiösen Sinne motiviert, sondern durch romantische Inspiration, welche - wie früher die Legenden – weitergetragen wird,  bei späteren Geistern Gehör findet und bei diesen in verwandelter Gestalt wieder in Erscheinung tritt.


Robert Schumann (1810-1856), Johannes Brahms (1833-1897) und Antonín Dvořák (1841-1904) waren geniale Komponisten der Romantik, die eng miteinander verbunden waren. Der jeweils Ältere war der Mentor und Förderer des folgenden Jüngeren und entsprechend groß war auch dessen Einfluss. Was nun die Legende betrifft, so kann man ein Thema orten, das von Schumann erfunden wurde und in den Werken der anderen beiden Meister eine wundersame Neuentfaltung, ja Metamorphose erleben durfte. Ob dies ein gewollter Schaffensakt oder schlicht glückliche Inspiration war, sei dahingestellt. Es steht jedem frei, sich aus dem Thema seine eigene Legende zu bilden:

Robert Schumann gilt als das entfesselte romantische Genie schlechthin. Speziell sein frühes Klavierwerk gilt vielen als Höhepunkt seines Schaffens. Aus diesem ragen besonders die drei Fantasien op.17 aus dem Jahre 1836 als einsamer Gipfel hervor. Sie gehören hinsichtlich ihrer musikalischen Substanz sowie geistigen Spannkraft zum Genialsten, was Schumann geschaffen hat. Die freie Behandlung der Sonatenhauptsatzform und die dreisätzige Anlage des Werkes sind eine Verneigung vor Ludwig van Beethoven (1770-1827) und sollen seine Errungenschaften auf dem Gebiet der Klaviersonate in der Romantik weiterführen. Auch darüber hinaus finden sich viele thematische Bezüge zu Beethoven. 

Doch nun zum Legendenton: Dieser befindet sich im ersten Satz nach der wilden, leidenschaftlichen Exposition anstelle einer Durchführung und dauert von Minute 4:44-8:07. Das einsetzende Thema, das „im Legendenton“ vorzutragen ist, beginnt wie aus weiter Ferne eine Geschichte aus vergangenen Zeiten zu erzählen. Es gehört zum Mystischsten, Majestätischsten und Erhabensten, das je Schumanns Feder entsprungen ist. Was darauf folgt, ist eine Legende an sich: Schumann variiert sein Thema und steigert es auf immer progressivere Weise, sodass die scheinbar tiefe Versunkenheit zum Exzess wird und an seinem Höhepunkt in einen unaufgelösten Vorhalteakkord mündet. Dieser Akkord ist mit dem revolutionären „Tristan-Akkord“ von Richard Wagner (1813-1883) ident, welcher allerdings erst 20 Jahre später während der Arbeit an entsprechender Oper enstehen sollte. Schumann gelingt hier also „im Legendenton“ eine seiner kühnsten Eingebungen und gleichzeitig sein visionärstes Meisterwerk.




Das eigentliche Thema (also die „Legende“ an sich) wird von Minute 4:44-5:10 vorgestellt. Und es ist gerade seine Schlusswendung von Minute 5:01-5:10, welche Schule machte und auch in späteren Zeiten (bis hin zur Filmmusik) immer wieder aufgegriffen wurde, wenn von archaischen Geschichten aus vergangenen, romantisierten Zeiten die Rede sein sollte. 

Der erste große Komponist, der Robert Schumanns Legendenton aufgriff, war dessen Schützling Johannes Brahms, der die Schlusswendung in der Vertonung einer eigenen Legende im Jahre 1860 verwendete. Es handelt sich um den mystischen „Gesang aus Fingal“, welcher wie Schumanns Fantasie die Opusnummer 17 trägt und die düstere gälische Welt der Vorzeit heraufbeschwören möchte. Dies gelingt Brahms mit den schwebend wirkenden Stimmen eines Frauenchors, der von zwei Hörnern und einer Harfe begleitet wird. Das ohnehin schon mit fernen Hornrufen und jenseitigem Gesang entrückt beginnende Werk gewinnt mit dem Einsetzen der Harfe ab Minute 0:34 nochmal an mystischem Glanz und Ausdruck. Und genau ab Minute 0:34 beginnt die verdeckte Anspielung an die Schlusswendung von Schumanns Legendenton, welcher auch hier bis Minute 1:25 immer wieder bedeutungsvoll zu tragen kommt.




Antonín Dvořák, dessen Förderer Johannes Brahms war, ließ ebenfalls den Legendenton in eine seiner Kompositionen einfließen. In diesem Fall handelt es sich um das Hauptthema des Adagios seines düsteren Klaviertrios in f-Moll op.65 aus dem Jahre 1883. Der Satz verharrt in sehnsuchtsvoller Stimmung, die von bitter-süßen Melodien getragen wird und einen Keim von Hoffnung in sich birgt. Es ist ein Satz voller Ausdruck, der poetischer nicht sein könnte und durch seinen herzergfreifenden Klagegesang besticht. Voll von Zärtlichkeit nimmt er die Schlusswendung von Schumanns Legendenton in sich auf und macht daraus etwas Eigenes: ein Werk voller Zauber und Magie, dem sich kaum jemand entziehen kann.




So wurden „im Legendenton“ diese Meisterwerke zu eigenen Legenden wunderbarster Musik, welche bis heute nicht müde werden, uns ihre Geschichte zu erzählen. Wir, Bereicherte, können nur dankbar lauschen …