Dienstag, 23. Mai 2017

"Ludwig van Beethoven - Fidelio"


Ludwig van Beethoven (1770-1827) war kein Opernkomponist an sich. Das Bearbeiten von Opernstoffen rang ihm große Mühe ab und nährte seine Selbstzweifel hinsichtlich der Bühnenwirksamkeit seiner Musik. So kam es, dass er seine Oper „Fidelio“ nach der Uraufführung 1805 noch zweimal (1806 und 1814) revidierte, bevor das Werk endgültig aus der Hand gegeben wurde. Was dabei entstand, ist Beethovens Befreiungsoper, sein Ideendrama,  das von humanistischen Idealen geprägt ist und die eheliche Treue hochhält. Es blieb auch nach der letzten Revision ein uneinheitliches Werk, das zwischen Singspiel und Tragödie schwankt und dennoch Musik enthält, die zum Schönsten aus Beethovens Feder gehört. Nicht zuletzt deswegen wurde seine einzige Oper eine der berühmtesten weltweit.


1. Handlung

Die Handlung von Fidelio spielt sich auf vier Ebenen ab und ist im Grunde schnell erzählt: Florestan ist ein politischer Gefangener des Gouverneurs Don Pizarro und wird auf der tiefsten Ebene (Ebene 4) in dessen Gefängnis in Sevilla in Ketten festgehalten. Da Florestan zu Unrecht festgehalten wird, fürchtet Don Pizarro seinen Vorgesetzten, den Ministers Don Fernando, der Recht sprechen könnte. Um bei einer möglichen Anreise des Ministers vorgewarnt zu sein und rechtzeitig Vorkehrungen treffen zu können, positioniert er am höchsten Punkt des Gefängnisses (Ebene 1) einen Wächter, der bei einer nahenden Ankunft Don Fernandos eine Trompetenfanfare ertönen lassen soll.

Zwischen diesen beiden Ebenen spielt sich alles Übrige ab: Leonore, Florestans Frau, tritt als Mann verkleidet mit dem Namen „Fidelio“ (auf Ebene 2) in den Dienst des Kerkermeisters Rocco und versucht so Zutritt zu ihrem Mann zu erlangen, um diesen zu befreien. Damit wäre im Grunde die Ausgangslage des Dramas umrissen. Es kommt jedoch auch ein kleines Lustspiel hinzu: Die Tochter Roccos, Marzelline, verliebt sich in „Fidelio“ und ihr bisheriger Verehrer Jaquino, seines Zeichens Pförtner des Gefängnisses, wird eifersüchtig. Keiner der Beteiligten ist sich freilich des wahren Geschlechtes „Fidelios“ bewusst und so kommt es zu einigem Verwirrspiel.

Durch Leonores (alias „Fidelio“) Diensteifer erlangt sie bald schon Zugang zum Gefängnis (auf Ebene 3), wo sie aus Mitleid mit den Gefangenen und in Hoffnung ihren Mann zu finden mit Rocco (ohne Erlaubnis von Don Pizarro) diesen Ausgang in den Innenhof des Gefängnisses ermöglicht. Doch Florestan befindet sich nicht unter diesen Gefangenen, da sich sein Verließ noch tiefer (nämlich auf Ebene 4)  abseits von allen anderen Gefangenen und in vollkommener Dunkelheit befindet. Leonore bekommt aber auch hierfür bald die Möglichkeit in diese Tiefen vorzudringen, da sie mit Rocco hinabsteigen muss, um ein Grab auszuheben. Es stellt sich heraus, dass dieses für Florestan bestimmt ist, da Don Pizarro diesen ermorden will.

Doch alles kommt zu einem guten Ende. Als Don Pizarro den Mord verüben will, gibt sich „Fidelio“ als Leonore zu erkennen und hält diesen mit einer Pistole in Schach. Darauf erklingt die Trompetenfanfare, welche die baldige Ankunft des Ministers Don Fernando ankündigt und somit die Befreiung nahe ist, da Don Pizzaro bereits handlungsunfähig gemacht wurde. (Ebene 1 verkündet also in diesem Fall Ebene 3 und 4, dass auf Ebene 2 Rettung naht.)

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2. Ouvertüren

Es gibt von der Oper „Fidelio“ drei Versionen. Was die Ouvertüren, jene einleitenden Orchesterstücke, betrifft, gibt es sogar vier. Jede einzelne Version erhielt eine eigene Ouvertüre, eine weitere wurde bereits vor der ersten Uraufführung entfernt. Die Ouvertüre zur finalen Version aus dem Jahre 1814 trägt freilich den Namen „Fidelio“-Ouvertüre. Alle anderen tragen den Namen „Leonore“, da dies der ursprünglich von Beethoven gewünschte Titel der Oper war. Somit existieren drei „Leonore“-Ouvertüren, welche aus der Oper entfernt wurden. Speziell die „Leonore“-Ouvertüre Nr. 3 (jene von der Aufführung der ersten Revision 1806) gilt es eigens zu betrachten, da diese nicht nur eines von Beethovens Meisterwerken ist, sondern da sie ein Eigenleben entwickelt hat, das auch für heutige Aufführungen der Oper höchst relevant ist. Es gilt nun also die „Leonore“-Ouvertüre Nr. 3 sowie die eigentliche „Fidelio“-Ouvertüre näher zu betrachten, was nicht nur für die Geschichte der Oper aufschlussreich ist, sondern auch tiefe Einblicke in die Kompositions-Werkstatt Beethovens erlaubt.


2.1 „Leonore“-Ouvertüre Nr. 3

Hierbei handelt es sich um ein monumentales Werk, das den Rahmen aller bisheriger Opern-Ouvertüre sprengt und im Grunde der erste Vertreter einer „Symphonische Dichtung“ ist, welche erst zu späteren Zeiten in der Romantik als Gattung etabliert werden sollte. Diese Ouvertüre nimmt in weiten Teilen rein instrumental wesentliche Aspekte der Handlung vorweg: Sie beginnt mit einem Terzabstieg, der von Seufzer-Motiven begleitet wird. Wir werden somit vor Beginn der eigentlichen Handlung akustisch Zeuge, wie Florestan in die Tiefen des Gefängnisses hinabgeführt wird. Dass es sich hierbei tatsächlich um Florestan handelt, belegt das in Minute 0:58 einsetzende „Florestan“-Thema, welches im weiteren Verlauf der Ouvertüre sowie später in der Kerkerszene der Oper eine große Rolle spielen wird. Im Übrigen ließ sich auch Robert Schumann (1810-1856) von diesem Thema inspirieren, der daraus das Hauptthema seines großartigen Klavierkonzertes in a-Moll ableitete.

Darauf entspinnt sich in der Ouvertüre leidenschaftliche und dynamischer werdende Musik, die den immer stärker werdenden Freiheitsdrang Florestans und seine aufkeimende Sehnsucht nach Leonore heroisch symbolisiert und im vollen „Freiheitsthema“ ab Minute 4:00 seinen Höhepunkt findet. Im Übrigen ließ sich auch Antonín Dvořák (1841-1904) von diesem Thema inspirieren, der daraus das Hauptthema seines großartigen "Amerikanischen Quartettes" in F-Dur ableitete.  

Der nächste handlungsweisende Aspekt befindet sich am Ende der Durchführung in Minute 7:15. Es handelt sich um das Erklingen der Trompetenfanfare des Wächters am Aussichtsposten, welche die Ankunft des Ministers Don Fernando ankündigt. Nach dieser Fanfare folgt himmlische Musik, die bereits auf die Erlösung, die Befreiung am Ende der Oper hinweist. Diese herrliche Musik wird von einem erneuten Erklingen der Fanfare in Minute 7:51 eingeschlossen und soll genau in dieser Form zu einem späteren Zeitpunkt der Oper eine große Rolle spielen.

Die Ouvertüre endet heroisch und triumphal im hymnischen Glanz des „Freiheitsthemas“.





Warum hat Beethoven dieses Meisterwerk der Instrumentalmusik entfernt? Das hat wohl mit den Misserfolgen der ersten Aufführungen zu tun. Das Publikum reagierte eher verhalten auf die Oper. Beethoven machte dies an der monumentalen Ouvertüre fest, die möglicherweise das damalige Publikum überfordert hatte. Darüber hinaus begann die Oper nach Öffnen des Vorhanges eher im kleinen Rahmen wie ein Singspiel, was einen großen Kontrast bedeutete. Beethoven wusste, dass die Dimensionen diese Ouvertüre nicht geeignet waren, die Konzentration des Publikums auf die nachfolgende Handlung auf der Bühne zu lenken. Nach dieser Höchstleistung an Instrumentalmusik kämpften die Akteure auf der Bühne eher auf verlorenem Posten, da ein irritiertes, überreiztes Publikum kein dankbarer Empfänger für eine sich entwickelnde Handlung war.

So musste Beethovens Entschluss gefallen sein, diese Ouvertüre zurückzuziehen und für die nächste Revision eine adäquatere, publikumsgerechtere beizusteuern, welche auf das nachfolgende Bühnengeschehen abgestimmt war. Dies wurde die finale „Fidelio“-Ouvertüre.

Doch die großartige „Leonore“-Ouvertüre Nr. 3 war nun nicht nur zur Aufführung im Konzertsaal verdammt. Es etablierte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts, diese Ouvertüre auch im Rahmen der Oper aufzuführen. Meistens geschah dies am Ende der Oper beim Szenenwechsel von Ebene 4 auf Ebene 2 nach Erschallen der Trompetenfanfaren. Dies wurde 1904 bei der bedeutenden Inszenierung des damaligen Wiener Hofoperndirektors Gustav Mahler (1860-1911) beibehalten und somit für viele sanktioniert. So wurde diese Ouvertüre nicht nur dem Konzertsaal geschenkt, sondern ging auch dem Opernsaal nicht verloren.


2.2 „Fidelio“-Ouvertüre

Die Ouvertüre zur finalen Version aus dem Jahre 1814 wirkt im Vergleich zur der Vorgängerin entschlackt und als werkeinführendes Musikstück geeigneter. Die direkten Handlungsbezüge fallen weg. Die dunkle, heroische Stimmung blitzt nur vereinzelt auf, es herrscht zumeist Hoffnungsschimmer am Horizont. Mit dieser kompakten Einleitung findet Beethoven direkt Anschluss zum singspielhaften Beginn nach Öffnen des Vorhangs auf der Bühne:




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3. Ausgewählte Höhepunkte


3.1 „Mir ist so wunderbar“

Der erste große Höhepunkt im 1. Akt ist nach dem einleitenden Singspiel ein vierstimmiges Wunderwerk in Form eines Kanons. Nach der doch etwas komplizierten Grundkonstellation zwischen Fidelio, Marzelline, Jaquino und Rocco plagen jede dieser Figuren ganz eigene Sorgen und Gedanken. Beethoven lässt alle zugleich zu Wort kommen, indem einer nach dem anderen mit der gleichen Melodie seinem Sinnen Ausdruck verleihen darf. Das Ergebnis ist eine der liebevollsten und zärtlichsten Arien der Operngeschichte:





3.2 „Gefangenenchor“

Nicht nur Giuseppe Verdi (1813-1901) komponierte einen Gefangenenchor, sondern auch Beethoven griff auf einen solchen im Finale des 1. Aktes zurück. Er ist ein Glanzstück der Oper, von erschütterndem Realismus und klanglicher Innigkeit. Auf Fidelios Betreiben lässt Rocco die Gefangenen von Ebene 3 zu einem Gang durch den Hof aus ihren Kerkern. Die aus den dunklen Tiefen Tretenden sehen geblendet zum ersten Mal seit Langem wieder Tageslicht und wagen wieder zu hoffen. Dieser rührende Moment wird von Beethoven feinfühlig umgesetzt und gipfelt in Minute 3:44 in den sehnsuchtsvollen Worten:

„O Himmel! Rettung! Welch ein Glück!
O Freiheit kehrest du zurück?“





Dieser Moment ist wohl einer der ergreifendsten und herzbewegendsten der Oper. Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840-1893) hat wohl nicht zufällig das Hauptthema seines Violinkonzertes in D-Dur daraus abgeleitet.


3.3 „Gott! Welch Dunkel hier“

Der Beginn des 2. Aktes führt hinab auf Ebene 4 in die tiefsten Tiefen von Florestans Verlies. Er befindet sich dort alleine, angekettet und in totaler Finsternis. Eine düstere, orchestrale Einleitung vermittelt diese hoffnungslose, beklemmende Lage. Beethoven gelingt hier ein eindrucksvolles tonmalerisches Stimmungsbild. Wenn Florestan mit dem Gesang einsetzt, reflektiert er über seine verzweifelte Situation. Dazu mischt sich ab Minute 5:23 das „Florestan“-Motiv aus der „Leonore“-Ouvertüre. Daraufhin beginnt er zu phantasieren und endet nahe des Wahnsinns in einer leidenschaftlichen Liebeserklärung an seine Frau: Ein Engel, Leonore, der Gattin, so gleich, der führt mich zur Freiheit ins himmlische Reich!“





Beethoven bereichert hier mit seinen symphonischen und theatralischen Ansprüchen nicht nur die Opernliteratur mit einem singulären Meisterwerk, sondern stößt gleichzeitig weit das Tor in die Romantik auf.


3.4 „O Gott! Welch ein Augenblick!“

Das Finale des zweiten Aktes, wenn Leonore ihrem Gatten Florestan die Ketten abnehmen darf, gehört zum lyrischsten und innigsten, was Beethoven geschrieben hat. Bevor der große Schlussjubel eintritt, wird ein Augenblick der stillen Einkehr gewidmet, der daran erinnern lässt, dass Freiheit, Liebe und Selbstbestimmung keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern Ideale, für die es zu kämpfen gilt, wenn einem diese verwehrt werden, und die man demütig und bewusst leben soll, wenn man sie besitzt. Beethoven setzt hier seiner Überzeugung ein musikalisches Denkmal von größter Intensität.





Donnerstag, 11. Mai 2017

Im Gedenken an JOACHIM KAISER (1928-2017)



Ein großer Kulturvermittler und Kulturbegeisterer ist heute von uns gegangen. Dass er es für wert erachtet hat, auf meine bescheidenen Fragen im Rahmen seiner Kolumne "Kaisers Klassik-Kunde" für die Süddeutsche Zeitung mehrmals zu antworten, erfüllt mich mit Dankbarkeit und Demut. Seine Gedankenanstöße sowie sein Mut-Machen, sich ohne Scheu und Zögern mit Literatur und klassischer Musik einzulassen und begierig immer tiefer in die Gefilden hoher Kunst vorzudringen, prägen mich (wie auch diesen Blog) bis heute. 

Vielen Dank, Joachim Kaiser. Ruhen Sie in Frieden!!!
















Mittwoch, 10. Mai 2017

"Der Muse Kuss - Leiden und Hoffen im Alter"



“O muse, o alto ingegno, or m’aiutate;
o mente che scrivesti ciò ch’io vidi,
qui si parrà la tua nobilitate.”
(Dante, Inferno, Canto II)

“O Musen, hohe Kunst, nun wollt mir helfen!
Gedächtnis, das geschrieben, was es schaute,
Hier soll sich deine Vornehmheit erweisen.“
(Übersetzung: Hermann Gmelin)

Alle großen Künstler, die im Begriff sind, Bedeutendes zu Papier zu bringen, hoffen insgeheim, diesem Vorhaben Kraft ihrer Worte gerecht zu werden, um sich aus ihrer heillosen Lage zu befreien. So mancher ruft hierfür die Musen, die Schutzgöttinnen der Künste zu Hilfe, damit diese die nötige Kraft und Inspiration schenken mögen. So tat es Dante Alighieri (1265-1321) bei seiner ins Jenseits verlegten Abrechnung mit dem Diesseits, seiner „Commedia“, der er die letzten Jahre seines Lebens widmete und wie es das einleitende Zitat belegt. So ging es wohl auch Thomas Mann (1875-1955) bei der Niederschrift seines späten Meisterwerkes „Doktor Faustus“, an welchem er mühevoll mehrere Jahre im hohen Alter arbeitete und dem er eben jenes Dante-Zitat voranstellte. 



Was nun die Musik betrifft, so galten auch hier Musen als Hoffnung für glückliche Eingebungen. Einmal wurde einer Muse sogar auf der Opernbühne gehuldigt, wo diese, von himmlischen Klängen begleitet, in Erscheinung trat. Dies fand im letzten Werk eines französischen Großmeisters der Musik statt, der kurz nach dessen Vollendung starb. Sein Name war Jean-Philippe Rameau.

Jean-Philippe Rameau (1683-1764), seines Zeichens Hofkomponist von Ludwig XV. (1710-1774), wurde im Jahre 1763 anlässlich des Friedens von Paris, welcher das Ende des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) bedeutete, mit einer neuen Oper beauftragt. In diesem Spätwerk mit dem Titel „Les Boréades“, welches Rameau im Alter von 80 Jahren zu komponieren begann, sind durchaus Anzeichen der Aufklärung zu spüren: Es geht um die Selbstbestimmung einer jungen Königin, die für ihre große Liebe, welche aus unedleren Geschlechte ist, ihr ganzes Reich aufgeben will, um mit dieser in Freiheit zu leben. Alles drückt sich im Libretto durch den entscheidenden Satz aus: C'est la liberté qu'il faut que l'on aime“ („Es ist die Freiheit, auf die es ankommt“). Die Königin entscheidet sich also in dieser heillosen Lage gegen den Staat, welcher für sie nicht die oberste Instanz ist, sondern für die Freiheit. Dies würde für die Königen freilich ernste Konsequenzen haben. Letztendlich kommt aber durch Eingreifen göttlicher Mächte doch alles noch zum Guten und die Königin kann aufgrund einer glücklichen Fügung sowohl das Reich als auch ihre Liebe behalten. Dies liegt zum einen an Apollo, dem Gott der Künste, und zum anderen an Polyhymnia, der göttlichen Muse der Musik. Das Erscheinen Letzterer im vierten Akt der Oper gehört zu den schönsten Einfällen, welche Rameau je gehabt hat. Hier wurde der alte Rameau in der Tat von der Muse geküsst, als er jene himmlisch schwebenden Klänge schrieb, welche die hoffnungsvolle, göttliche Rettung der Königin aus ihrer Heillosigkeit darstellen sollen:





[Die Uraufführung dieser Oper fand übrigens erst mehr als 200 Jahre nach der Komposition statt. Die Proben zur damaligen Aufführung wurden abgebrochen. Ob daran der pikante Inhalt der Oper, finanzielle Schwierigkeiten oder der Tod des Komponisten schuld sind, kann nicht mit Sicherheit belegt werden.]


Was für ein Glück, dass Rameau auch im Alter seine Inspiration nicht verließ. Die Musik wäre ansonsten um eine Perle ärmer… 

Dennoch ist diese wunderbare Musik kein reines Alterswerk. Ihre Ursprünge sind in der Zeit vor Rameaus Karriere als Opernkomponist am Königshofe zu finden. In den 1720er Jahren schrieb Rameau revolutionäre Schriften über Musiktheorie und komponierte dazu bahnbrechende Suiten für Cembalo, welche heute meist auf dem Klavier interpretiert werden. Diese Suiten gehören zum Genialsten, was die französische Musik des 18. Jahrhunderts hervorgebracht hat und sind auf einer Ebene mit den Suiten von Rameaus Zeitgenossen Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Die Suite in a-Moll aus den späten 1720ern, Rameaus Meisterwerk, beginnt mit einer vollendeten Allemande voller Dichte, Grazie und Erhabenheit. Im zweiten Teil dieser Allemande begegnet uns ein Einfall, den aufmerksame Ohren bereits kennen: In Minute 3:21 sowie 4:50 der Hörprobe offenbart sich uns die göttliche Muse Polyhymnia für einen kurzen Moment und lässt uns mit einem Hauch von Hoffnung bereichert zurück:





„Aber wie, wenn der künstlerischen Paradoxie […] das religiöse Paradoxon entspräche, dass aus tiefster Heillosigkeit, wenn auch als leiseste Frage nur, die Hoffnung keimte? Es wäre die Hoffnung jenseits der Hoffnungslosigkeit, die Transzendenz der Verzweiflung, - nicht der Verrat an ihr, sondern das Wunder, das über den Glauben geht.“

(Thomas Mann, Doktor Faustus, Kapitel XLVI)