(K.K. und T.S. in Paris in tiefer Dankbarkeit gewidmet)
„Tiefe Freuden des Weins, wer hat euch nicht gekannt? Jeder, der jemals Gewissensbisse beschwichtigen, eine Erinnerung heraufbeschwören, einen Kummer ertränken, ein Luftschloss errichten wollte – kurzum, alle haben dich angerufen, geheimnisvoller Gott, verborgen in den Fibern des Rebstocks. Wie großartig sind die Schauspiele des Weins im strahlenden Licht unserer inneren Sonne! Wie glühend und echt fühlt sich die zweite Jugend an, die der Mensch aus ihm schöpft! Aber wie gefährlich sind auch seine überwältigende Sinnlichkeit und seine kräftezehrenden Verzauberungen. Und dennoch lasst eure Herzen und euer Gewissen sprechen, ihr Richter, Gesetzgeber, Mitglieder der besseren Kreise, ihr alle, die das Glück sanftmütig stimmt, denen der Wohlstand es leicht macht, tugendhaft und gesund zu sein: Wer von euch wäre so unerbittlich und hätte den Mut, jemanden zu verdammen, der sich Genie antrinkt? [..]
Auf der Erdkugel gibt es eine unzählbare, unbezifferte Menge von Menschen, deren Leiden der Schlaf nicht ausreichend lindert. Für sie singt und dichtet der Wein.“
„Manchmal scheint mir, ich hörte den Wein sprechen – seine Seele spricht mit der Stimme der Geister, die nur von Geistern gehört wird -: ‚Mensch, mein Geliebter, ich will hinter gläsernen Gefängnismauern und einem Riegel aus Kork einen Gesang voller Brüderlichkeit anstimmten, einen Gesang voller Freude, voller Licht und Hoffnung. […] Die Brust eines anständigen Mannes ist ein Aufenthalt, der mir weit mehr zusagt als die melancholischen und fühllosen Keller. Sie ist ein fröhliches Grab, in dem ich mit Begeisterung mein Schicksal erfülle. […]
Ich werde mich wie pflanzliches Ambrosia in deine Brust ergießen. Ich werde der Samen sein, der die unter Schmerzen gepflügte Furche befruchtet. Aus unserer intimen Vereinigung wird Poesie hervorgehen. Wir zwei werden ein Gott sein und uns der Unendlichkeit entgegenschwingen ...‘“
aus dem Essay "Wein und Haschisch" von Charles Baudelaire übersetzt von Melanie Walz